Wie entsteht Bewusstsein?

Beim Aufschlagen des Smartphones tauchte morgens plötzlich ein Artikel (vom 28.05.2021) der Zeitschrift SPEKTRUM.de auf. Der Titel:  Wie entsteht Bewusstsein? Dazu ein paar Anmerkungen:

Steve Ayan: „Einer neuen Theorie zufolge entsteht Bewusstsein nur dann, wenn die Prognosen unseres Gehirns versagen“

1. Bewußtsein ist.
2. Bewußtsein entsteht nicht.
3. Alle Theorien dazu sind irrelevant. 

Steve Ayan: „wenn die Prognosen unseres Gehirns versagen…“

Ja – nur dann, wenn das Denken stoppt, ist das
Bewußtsein als Bewußtsein bewußt erkennbar.

Und es handelt sich dabei nicht (!) um ein „Versagen“.

Steve Ayan: „…weil allein das bewusste Denken unser Handeln leiten soll. Nur dann, so scheint es, hätten wir unser Leben in der Hand. Doch wie die moderne Forschung beweist, regieren vor allem automatische Reaktionsmuster unser Denken und Handeln“

Das ist zutreffend: Der intellektuelle oder denkende Teil des Verstandes füllt den Raum nicht in dem Maße, wie wir das gerne glauben möchten.

Wir handeln und denken so wenig bewußt, wie wir bewußt atmen. Hinge unser körperliches Leben von unserer bewußten Atmung ab… Na, wie lange würden wir denn am Leben bleiben? 😎

Dafür ist jedoch kein externer Forscher (Experte) erforderlich: Das kann jeder selber (Imperte) an seinem eigenen Körper-Geist-Organismus beobachten.

Steve Ayan: „Wie die Erforschung des Unbewussten gezeigt hat, fällt unser Geist schnell und automatisch Urteile und Entscheidungen. Das Gehirn stellt dabei permanent Prognosen über zukünftige Ereignisse an.“

Steve Ayan: „Wie die Erforschung des Unbewussten gezeigt hat…“

Wie kann man etwas erforschen, was gar nicht existiert? Kann man die Abwesenheit von Licht, kann man die Dunkelheit wissenschaftlich erforschen?

Kann man Abstinenz erforschen?

Das (kollektive) Unbewußte ist – ähnlich den mathematischen Axiomen – als Abstraktion nützlich und sprachlich brauchbar, aber dennoch… in keiner Weise existent! In diesem Sinne benennt DAS UNBEWUSSTE die Summe all dessen, was uns in irgend einer Weise in Bewegung setzt, ohne daß wir uns dessen, was dies im Einzelnen ist, bewußt sind.

Steve Ayan: „…fällt unser Geist schnell und automatisch Urteile und Entscheidungen“

Das ist zutreffend und jederzeit von Jedermann nachprüfbar. Die Muster-Erkennung funktioniert mit einer unglaublichen Geschwindigkeit, ohne daß wir dafür etwas tun müssen.

Der intellektuelle Part unseres Verstandes agiert
dagegen mit der Geschwindigkeit einer Schnecke.

Der Begriff „Urteile“ ist an dieser Stelle unpassend, weil er erstens in den Bereich des Denkens gehört und zweitens viel zu viel Zeit braucht. Passender ist hier der Begriff „unbewußt funktionierende Einordnung“.

Steve Ayan: „Laut der Theorie des »predictive mind« entsteht Bewusstsein, wenn die impliziten Erwartungen des Gehirns versagen. Danach gilt es, den energieschonenden Automatikmodus rasch wiederherzustellen.“

Wie schon gesagt: Bewußtsein entsteht nicht!

Steve Ayan: „Danach gilt es, den energieschonenden Automatikmodus rasch wiederherzustellen.“

Auch der muß nicht „wiederhergestellt“ werden. Aber ja, dieser „Automatikmodus“ ist enorm energieschonend, Aufwands-arm und effizient.

Man kann auch sagen: „Gelernt ist gelernt“.

Die einmal gelernten Abläufe von Handlungen funktionieren wie automatisch. Unsere Aufmerksamkeit (Bewußtheit) wird dazu nicht gebraucht und das Denken ebenso wenig.

Kann man gut – zum Beispiel bei der Frühstücksvorbereitung – beobachten.

Hier handelt es sich um den funktionalen Part des Verstandes, der mit den primitiven Formen des Lernens korreliert.

Steve Ayan: „Diese revolutionäre Theorie…“

Grundsätzlich: Keine Theorie ist „revolutionär“.

Eine Theorie ist nur eine Theorie, also
immer nur… eine vorläufige Annahme.

Steve Ayan: „…weist der Automatik des Geistes eine zentrale Rolle zu“

Was, bitte, soll das sein, die „Automatik des Geistes“?

Steve Ayan: „Lernen, Erfahrung und auch Bewusstsein haben letztlich den Zweck, die impliziten Prognosen immer weiter zu verbessern“

Hier werden Kirschen mit Murmeln vermengt, weil sie eine ähnliche Form aufweisen.

  1. Erfahrung ist Teil, ist eine Form des Lernens.
  2. Bewußtsein hat weder etwas mit Erfahrung, noch etwas mit Lernen zu tun.

Du kannst während einer beliebigen Erfahrung bewußt sein – oder auch nicht. Das Bewußtsein ist nicht ein Teil des Untersuchbaren auf der Horizontalen.

Erfahrung – passiert vorwiegend körperlich und emotional.
Lernen – geschieht körperlich und geistig.

Bewußtheit – ist jenseits von beidem.

Link zu…  Lernen  📌

Weißes Dreieck_300

Steve Ayan: „Ein Muster wie etwa die durch ein imaginäres Dreieck teils verdeckten Kreise ergänzt unser Sehsystem vollautomatisch“

◾ So etwas passiert unentwegt,
◾ ohne unser aktives Tun und
◾ ohne daß es uns bewußt ist.

Das macht aber nicht das Sehsystem. Das sieht nur, was es sieht und… weiß nicht einmal, daß es etwas sieht. Es ist ein (nicht intellektuell agierender) Teil des Verstandes, der das Gesehene auf seine Weise für uns interpretiert, deutet, einordnet und so für uns nutzbar macht.

Steve Ayan: „Solche nützlichen Illusionen belegen laut Helmholtz, dass voreingestellte Mechanismen unser Bild der Welt prägen, ohne dass wir irgendetwas dazutun“

Die Bühne unseres Lebens besteht in ausnahmslos allen Details aus „nützlichen Illusionen“. Das ganze Drama ist eine nützliche Illusion. Wir nennen sie „Realität“.

Und ja, bei jedem Schritt, mit jedem Blick haben wir unbewußt Erwartungen. Finden keine oder nur wenige Überraschungen statt, sprechen wir von „Normalität“. Daß es die aber gar nicht gibt, übersieht unser „voreingestelltes“ System großzügig.

Steve Ayan: „Wie man inzwischen weiß…“

Das ist eine weit verbreitete, aber irreführende Formulierung. Hier wird WISSEN und MUTMASSEN nicht klar unterschieden und suggestiv das GLAUBEN anempfohlen. 

Heißen muß es: „Wie man derzeit allgemein glaubt…“

Steve Ayan: „betrifft das jedoch nicht nur die Sinneswahrnehmung, sondern alle geistigen Prozesse, von der Urteilsbildung über Entscheidungen bis hin zur Handlungssteuerung“

Das ist zwar einerseits zutreffend, aber man kann es dennoch nicht so allgemein formulieren, denn: Es ist eine Frage der Bewußtheit

Für den vorwiegend unbewußt lebenden Menschen mag das zutreffen, aber es leben hier auch Menschen mit einem sehr hohen Grad an Bewußtheit.

Steve Ayan: „Ein grundlegendes Arbeitsprinzip des Gehirns besteht darin…“

Das Gehirn kennt kein „Prinzip“.

Prinzipien sind abstrakte Produkte unseres Menschenverstandes.

Steve Ayan: „Allein schon einen Ball zu fangen, ist für Maschinen ein Riesenproblem, denn dafür müssen visuelle und motorische Informationen laufend miteinander abgeglichen und aktualisiert werden. Dieser hochkomplexe Vorgang läuft bei uns Menschen (zum Glück!) unbewusst ab.“

Zum Glück, ja, denn der Mensch würde es nicht schaffen, müßte er es willentlich via logischem Verstand bewältigen. Er könnte auch nicht Fahrradfahren. Jonglieren wäre unmöglich…

Steve Ayan: „Ein anderes Untersuchungsparadigma, das sehr viel zu unserem Wissen über das Unbewusste beitrug, ist…“ 

Hier geht es nicht um das „Wissen über das Unbewußte“ (worüber es, wie weiter oben schon gesagt, nichts zu wissen gibt), sondern um das Wissen der Arbeitsweise des funktionalen Verstandes – der mit dem logisch arbeitenden nichts gemein hat. Sie grüßen sich nicht einmal. Der Eine weiß vom Andern nichts.

Steve Ayan: „Viele Forscher halten den aktuellen Inhalt des Arbeitsgedächtnisses für identisch mit dem Bewusstsein.“

Was nur eines beweist, daß sie unbewußt sind…, die „vielen Forscher“.

„Jdeer nmrolae Msnech knan desei Wtröer vtlolmotisaucah eitfnefrzn. Ohwbol die Bsabtuehcn dhcerundaneirgberiwelt snid, heabn Sie kuam Pemlbore, dem brefenfteden Txet Snin awebinzgeunn. Das vnkednaern Sie der vbüfflerneden Amtoiatuk Irehs Gneirhs!“

Steve Ayan: „der Autopilot in Ihrem Kopf weiß immer schon einen Sekundenbruchteil vor dem bewussten Ich, was als Nächstes zu lesen sein wird. Er antizipiert die betreffenden Wörter und sortiert die verrutschten Buchstaben dabei blitzschnell um“

Das ist nicht ganz zutreffend: Wir denken (nehmen an), daß wir die Buchstaben der Wörter „lesen“. Das ist aber nicht der Fall. Die Wörter sind als Bilder abgespeichert und der funktionale Teil des Verstandes „korrigiert“ die Bilder Sinn-suchend durch Abgleich. Und das geht rasend schnell.

Steve Ayan: „Das Gros der Datenflut bleibt unbewusst und füttert das System 1, das automatisch und schnell arbeitet“

Das trifft auch auf die Tiere zu. Auch sie lassen alles (Eindrücke und Informationen) durchs Raster fallen, was nicht unmittelbar in ihren Lebensrahmen paßt.

Steve Ayan: „das Gehirn … blickt permanent in die Zukunft! Was wird gleich geschehen? Welche Sinnesreize sind zu erwarten? Droht Gefahr? Was führen andere im Schilde? Solche Prognosen umfassen nicht nur die Außenwelt, sondern auch das innere Milieu des Körpers, die Homöostase. Der Drang zur Nahrungsaufnahme ist so gesehen die unbewusste Vorwegnahme eines drohenden Energieverlusts“

Das ist Quark. Die Natur arbeitet mit Anreizen (Leckerlies) und der Angst vorm Tod, der körperlichen und mentalen Auslöschung:

◾ Die Nahrungsaufnahme belohnt sie mit Lust, mit Leckereien.
◾ Die Art-oder Gen-Erhaltung belohnt sie mit einem Tanz der Hormone. Sie weiß halt ganz genau, daß wir andernfalls den Aufwand sexueller Vereinigungen nicht praktizieren würden. 😎
◾ Und mit der Angst sorgt sie dafür, daß wir nicht spontan vom Dach springen.

Steve Ayan: „entsteht Bewusstsein lediglich dann, wenn die Vorhersagen des Gehirns fehlerhaft sind“

Hier werden erhöhte Wachsamkeit (Aufmerksamkeit) und Bewußtheit miteinander verwechselt oder gleichgesetzt.

Und: Bewußtsein „entsteht“ nicht (und vergeht auch nicht).

Eher können wir sagen: Wir fallen in die Bewußtheit. Denn sie ist immer da, immer präsent. Nur wir sind nicht da, sind in unseren ablaufenden Filmen gefangen, sind gerade verhindert.

Steve Ayan: „…strebe unser Geist nicht nach immer mehr Bewusstsein, sondern versuche im Gegenteil, es zu verhindern“

Der reifere Mensch ist der bewußtere – ohne daß er „strebt“.
Der weniger reife gibt sich mit seinen (und anderer Leut´s ) Filmen zufrieden.

Neuropsychoanalytiker Mark Solms: »Am liebsten wäre es dem Gehirn, wenn gar nichts Unerwartetes passiert. Totale Gleichförmigkeit ist dem Überleben viel dienlicher als das Energie und Zeit raubende Bewusstsein«

Bewußt sein… ist weder Energie-raubend, noch ist es Zeit-raubend. Schau selbst!

Steve Ayan: „Bewusstseinsforschung…“

Bewusstseinsforschung ist nur intern, subjektiv (eigen- oder innerwissenschaftlich) möglich und niemals extern, objektiv.

Das Bewußtsein ist
nicht objektivierbar.

Steve Ayan: „Nach einem Modell des Neuropsychoanalytikers Mark Solms speist sich Bewusstsein…“

Das Bewußtsein speist sich aus nichts.

Steve Ayan: „Einen einzigen neuronalen Sitz des Bewusstseins gibt es nicht“

Die Aussage ist zutreffend, suggeriert aber, es gäbe irgendwo einen „Sitz“ oder gar mehrere Sitze des Bewußtseins.

Das Bewußtsein hat keinen Sitz.
Es ist nirgendwo ― und überall.

Steve Ayan: „Träger des Bewusstseins“

Solche „Träger“ gibt es nicht.

Steve Ayan: „den eigentlichen Hort des Bewusstseins…

Einen „Hort des Bewusstseins“ gibt es nicht. Auch keinen „eigentlichen“.

Mark Solms: »Die Mustersuche des Kortex kommt bestens ohne Aufmerksamkeit aus«

Exakt. So ist es.

Mark Solms: »Wenn uns etwas Bewusstsein verleiht…«

Bewusstsein wird durch nichts und niemanden verliehen. Auch nicht durch „tiefer liegende, emotionale Hirnteile“.

Emotionale Hirnteile? 😳

Steve Ayan: „Bewusstsein ist auch ohne Großhirnrinde möglich“

Zustimmung, denn:

Das Bewusstsein ist..
von nichts abhängig.

Das läßt sich leicht herausfinden. Von Jedermann!

Steve Ayan: „Bewußtsein … möglich“

Das Bewusstsein ist nicht nur „möglich“. ES IST – immer.

Das Bewußtsein ist auch nicht vom Gedächtnis oder von der Fähigkeit zu logischem Denken abhängig; nicht einmal von Nüchternheit oder Gesundheit. Unser Nicht-Erinnern an eine Situation ist kein Beleg für die Abwesenheit von Bewußtsein, sondern für fehlende Erinnerung.

Steve Ayan: „Vorhersagefehler alias Überraschung alias Bewusstsein“

Hier wird wieder unzulässig gemixt.

Bewußtsein ist eine eigene Kategorie – keine unter anderen.

Steve Ayan: „Wenn etwas nicht so läuft wie erwartet, entsteht Bewusstsein…“

Interessant. 😎 Bewusstsein „entsteht“… als Folge eines vermeintlichen Fehlers? 😎

Alles, was entsteht, kann objektiviert werden. Das Bewußtsein gehört nicht dazu. Es ist unentstehbar. Es ist unentwegt präsent, auch wenn wir uns seiner nicht – oder nur äußerst selten – bewußt sind.

Steve Ayan: „Dabei versucht unser Gehirn, diesen Zustand [der Bewußtheit] unter allen Umständen zu vermeiden“

Wie wunderlich unsere Wissenschaft arbeitet, zeigt sich besonders dann, wenn sie versucht, mit Hammer & Meißel in die geistigen Bereiche vorzudringen. 🤗

Wir sind es selber, die Bewußtheit vermeiden. Das versucht oder macht nicht das Gehirn.

Die meisten von uns setzen viel auf die Sinne, viele viel auf die Emotionen, einige etliches auf die Ratio, aber nur sehr wenige etwas auf die Bewußtheit.

Steve Ayan: „das vermeintlich über den Dingen schwebende Bewusstsein ist eng an automatische Vorgänge gekoppelt“

Das Bewußtsein ist an gar nichts „gekoppelt“, auch nicht an „automatische Vorgänge“.

Steve Ayan: „Worauf sich Ihre Aufmerksamkeit richtet, welche Erinnerungen und Ideen Ihnen kommen, wie Sie die Menschen um sich herum wahrnehmen, was Sie aus der Flut der Eindrücke herausfiltern, wie Sie es interpretieren und welche Ziele Sie verfolgen – das resultiert aus automatischen Vorgängen“

Da steckt Richtiges drin, doch so wie er da steht, ist der Satz komplett falsch:

Muster-Erkennung und andere Abgleiche geschehen „automatisch“, das ist richtig (Funktionaler Verstand). Bei allen Menschen und auch bei den Tieren.

Interpretation und Zielverfolgung können eine Sache der Konditionierung und darüber eine der Automation sein – müssen aber nicht: Ist eine Frage der Wachheit.

Blickrichtung, Erinnerungen, Ideen… k ö n n e n  durch Konditionierung oder andere Impulse beeinflußt sein. Müssen aber nicht. Auch hier können bewußte Entscheidungen im Spiel sein. Grundsätzlich:

Der Mensch ist
kein Automat !

Steve Ayan: „Der Autopilot im Kopf macht uns zu denjenigen, die wir sind – nicht das Bewusstsein.“

Damit wird ein anderer Satz variiert, nämlich dieser:

„Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern
umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt.“

― Karl Marx, 1859, Zur Kritik der politischen Ökonomie

Beide Formulierungen entsprechen nicht der Wahrheit.

Was hier mit Autopilot gemeint ist, unterscheidet sich nur nuanciert vom „Autopiloten“ vieler Tierarten. Also muß es da noch etwas anderes geben, was uns ausmacht, denn von den Tieren wollen wir uns doch unterscheiden – oder nicht?

Mein funktionaler Verstand (Autopilot) macht
mich jedenfalls nicht zu dem, der ich bin.  😉

Steve Ayan: „Die alte Unterscheidung zwischen dem triebhaften Unbewussten…“

Nicht alles, was unbewußt abläuft ist auch triebhaft. Ein paar Minuten lang wie ein Storch auf nur einem Bein stehen bleiben zu können, benötigt viele Fähigkeiten, derer wir uns nicht bewußt sind, aber „triebhaft“… würde ich sie nicht nennen.

Steve Ayan: „…und dem rationalen Bewusstsein“

Das Bewußtsein ist nicht „rational“. Es hat mit der Ratio nichts zu tun. Das eine ist Vertikale, das andere Horizontale.

Der rationale Part des Verstandes, wie auch der funktionale Part stehen uns als Hilfsmittel zur Verfügung und werden (wie auch sonst alles) vom Bewußtsein gespiegelt.

Es fällt uns offenbar sehr schwer, die Ratio als kleiner zu sehen als das Bewußtsein.

Steve Ayan: „Das wahre Genie, das Probleme löst und unser Überleben sichert, ist das Unbewusste.“

Einem Betrunkenen würde ich so etwas nachsehen wollen. 🤗

Steve Ayan: „Bewusst und unbewusst sind keine Gegensätze.“

Doch, es sind Gegensätze.

Diese Gegensätze lösen sich in dem Maße auf,
wie wir uns erlauben, Bewußtheit zuzulassen.

Der Beobachter

Der Beobachter ist mit der beobachteten Realität untrennbar verbunden.

― Werner Heisenberg

A – Das ist richtig in dem Sinne, wie der Werner seinen Satz wohl versteht: Ohne Beobachter keine „Realität“. Ohne Spiegel nichts Gespiegeltes.

B – In einem anderen Sinne ist er nicht richtig: Zwischen dem Beobachter und dem, was wir im alltäglichen Leben „Realität“ nennen, gibt es keine „Verbindung“. So, wie es auch zwischen einem Spiegel und dem Gespiegelten keine wirkliche Verbindung gibt.

Alles Geschehen hat keinen
Einfluß auf den Beobachter.

So, wie auch Gespiegeltes keine Wirkung auf den Spiegel ausübt.

Präsenz

Niemand kann sein Glück genießen, ohne daran zu denken, daß er es genießt.

– Samuel Johnson

Aus einer Perspektive gesehen, ist die Aussage nicht wahr.
Aus einer etwas anderen Perspektive gesehen, ist sie wahr.

1. Jedermann kann Augenblicke des Glücks genießen, ohne daß der Verstand involviert ist. Allerdings wird er dann nicht von “Glück” sprechen, er wird den augenblicklichen Zustand der Freude nicht mit einem Zustand von gestern vergleichen. Er ist (von Außen gesehen) glücklich, ohne dies selber zu wissen (ähnlich einem Baby). Aus dieser Perspektive gesehen, ist die Aussage nicht wahr.

2. Andererseits gibt es den Begriff Glück nur, wenn und weil es den Vergleich gibt. Vergleich ist ohne den aktiven intellektuellen Verstand nicht möglich. Auch die Kommunikation über ein Gefühl des Glücks ist ohne diesen Verstand nicht möglich. Aus dieser Perspektive gesehen, ist die Aussage wahr.

Die erstgenannte Art von Sein in totaler Präsenz und von Handeln in totaler Präsenz ist uns noch fremd und wird deswegen auch leicht übersehen, wenn es denn mal passiert. Hinzu kommt, daß in Momenten der Präsenz die Gedächtnis- Aufzeichnungen noch dünner sind, als eh schon. Das ist auch ein Grund, warum uns die Meditation als so wertlos erscheint: Wir erinnern uns ja nicht einmal! Deshalb ist uns das Denken von so hohem Wert und das Im-Gedankenfreien-Moment-Sein, dagegen… eher suspekt.

Wir denken,
daß wir nur dann
sind, wenn wir denken.

Ob es denn so ist, daß wir nur dann sind, wenn wir denken, oder ob wir auch dann sind, wenn wir nicht denken, kann jeder Einzelne für sich selber herausfinden!

Dazu bedarf es lediglich die Bereitschaft zu scharfer Beobachtung. Aber Achtung: Sobald wir interpretieren, ist der Verstand schon wieder im Rennen.

Erkenne dich selbst !

Erkenne dich selbst! stand am Eingang der antiken Welt geschrieben. Über den Eingang der neuen Welt wird geschrieben stehen: Sei du selbst!

– Oscar Wilde

Und wie willst du du selbst sein, so lange du dich noch gar nicht erkannt hast? Wer dem ersten Imperativ gefolgt ist, für den ist der zweite irrelevant, obsolet.

Die Bedeutung des „Erkenne dich selbst!“ wird bleiben, solange es Menschen gibt. Es ist kein Phänomen eines bestimmten Zeitalters: Es handelt sich hier um einen Hinweis auf dem Weg des spirituell Suchenden.

Wer sich selbst erkannt hat, braucht den zweiten Imperativ nicht mehr – auch nicht als netten Hinweis: Die beiden Aufforderungen befinden sich nicht auf der selben Ebene.

„Sei du selbst“ dagegen ist… bloß eine psychologische Empfehlung auf der sozialen Ebene. Dafür ist Bewußtheit keine Vorausetzung.

Sich selbst erkennen wollen, ist keine „antike“, keine vergangene Geschichte, sondern eine immer zeitgemäße, individuelle, nach innen gerichtete Wissenschaft.

Aspekte der Freiheit

Viele Philosophen meinen, dass wir auch in einer naturgesetzlich determinierten Welt einen freien Willen haben können.

– Geert Keil

(Reclam-Klappentext zu „Willensfreiheit und Determinismus“)

Was „viele Philosophen“ dazu „meinen“, ist nicht erheblich. Interessant ist, ob wir alle grundsätzlich (oder partiell) frei sind, oder es nicht sind und ob wir uns – bezüglich der verschiedenen Aspekte der Freiheit – frei fühlen, oder nicht.

Hier geht es um mehr als nur  e i n e n  Aspekt des Begriffs „Freiheit“:

  1. Freiheit, zu leben
  2. Freiheit, zu lieben
  3. Handlungs-Freiheit
  4. Universelle Freiheit
  5. Freiheit des Willens
  6. Bewegungs- Freiheit
  7. Mitteilungs-Freiheit
  8. Freiheit vom Körper
  9. Gedankliche Freiheit
  10. Freiheit vom Denken
  11. Freiheit zur Unfreiheit
  12. Freiheit in Beziehungen
  13. Wahrnehmungs-Freiheit
  14. Außerkörperliche Freiheit
  15. Freiheit von Einflußnahme
  16. Freiheit des bewußten Seins
  17. Freiheit von Konditionierungen

Gut möglich, daß wir in Wirklichkeit gar keine Wahl haben.

Vielleicht sagt uns das unsere Wissenschaft in Kürze oder hat es schon getan, aber: Wir könnten keine vierzehn Tage überleben, würden wir uns nicht mindestens in der Illusion wiegen, frei zu sein… im Wollen und im Tun, im Denken und in der Wahrnehmung!

Ein Schaf fühlt sich vielleicht grenzenlos frei, wenn es
sich im Schutz der Herde innerhalb einer für uns klar
erkennbaren Umzäunung bewegt.

Die Frage ist also nicht so sehr, ob wir frei  s i n d,
sondern ob wir uns als frei  e r l e b e n,  denn:

Können wir Zäune überwinden, die
wir gar nicht als solche erkennen ?

Eine Grenze können wir nur dann überwinden, wenn wir sie
1. als solche sehen,
2. als solche anerkennen und dann
3. als solche „verletzen“ oder reißen.

Grenzen sind Denkgebilde.

Selbst in einer Gefängniszelle kann man sich frei fühlen. Die Klosterzelle bietet kaum mehr Freiraum und doch begeben sich viele Leute freiwillig und über viele Jahre in eine solche. Manche bis zum Ende ihres Lebens – ohne sich auch nur einen Augenblick lang unfrei gefühlt zu haben.

Und wer kennt schon seine Denk-Grenzen? Wer kennt die absoluten Grenzen seiner mentalen Möglichkeiten?

Ich nehme mal an, wir haben 25 Sinne der Wahrnehmung zur Verfügung. Meinetwegen können wir uns zusätzlich auch noch ein paar technische Hilfskonstruktionen (Krücken) bauen, um damit den einen oder anderen Sinn ein bißchen zu erweitern, aber irgendwo ist die absolute Grenze.

Also sind wir in dieser Inkarnation als Mensch wohl nicht wirklich frei: Unsere Sinne begrenzen uns. Unser Vorstellungsvermögen begrenzt uns. Körperlich sind wir in unserem Bewegungsradius eingeschränkt. Im Denken sind wir begrenzt. Unser Erinnerungsvermögen ist rudimentär. Fühlen können wir nur, was wir fühlen können und nichts darüber hinaus. Können wir mehr wollen, als wir wollen? – Können wir überhaupt wollen, was wir wollen?

Trotz aller Begrenzungen haben wir alles, um ein zufriedenes, ein aufregendes, ein intensives, ein erfüllendes, ein auf vielen Ebenen reiches Leben führen zu können.

O.k., womöglich können wir es nicht wirklich „führen“, 😉
doch können wir viele seiner Nuancen bewußt erleben.

Ob determiniert oder nicht, geht die (echte) Philosophie nichts an. Warum nicht? Weil sich hier das Feld der Spekulationen (2) auftut und das ist nicht die Ebene der Weisheit (6), also nicht das Feld der Philosophie. Auf jeden Fall sind wir so frei, daß wir als Menschen die anstehenden Erfahrungen machen und (geistig) reifen können.

kunstschaffende: „Wahre Freiheit findet für mich nur im Geiste statt!“

Die körperliche Bewegungs-Freiheit ist aber auch nicht zu verachten.
Solltest du die außerkörperliche meinen: Da könntest du Recht haben.

kunstschaffende: „Die Gedanken Freiheit ist noch nicht sichtbar!“

Auch wenn du sie (noch) nicht sehen kannst: Sie ist da. Im Rahmen dessen, was dir der Verstand ermöglicht, hast du alle Freiheiten der Welt. Wer wollte oder könnte sie dir nehmen? – Wenn wir mal von den Konditionierungen, die in den frühen Jahren stattgefunden haben, absehen. Und da wären noch die Prägungen und somit Einengungen, die sich jeder, zum Beispiel mittels seines „Weltbildes“ und den internalisierten Wertvorstellungen, selber konstruiert.

Innerhalb all dessen:
Gedankenfreiheit. 🌾

Freiheit  📌

Reichtum

Den größten Reichtum hat,
wer arm an Begierden ist.

– Lucius Annaeus Seneca

Das stimmt nicht so ganz, Lucius Annaeus.

1. Unausgesprochen wird Reichtum meistens mit Glück assoziiert. Glück ist aber nichts weiter als eine plötzliche und nicht lang andauernde Ausschüttung von Glücks-Hormonen.

2. Was verstehen wir selber unter Reichtum?

• Reichtum durch unsere Weisheit?
• Reichtum durch die Fähigkeit zu Mitgefühl?
• Reichtum durch unseren Zugang zur Intelligenz?
• Reichtum durch zu bekommende Dienstleistungen?
• Reichtum durch den Zugang zu vielen materiellen Gütern?
• Reichtum als Gefühl, aufgrund öffentlicherer Aufmerksamkeit?
• Reichtum durch hohe (Geld-)Zahlen auf Papier oder dem Bildschirm?

Reichtum – und damit das Gefühl von Glück – ist abhängig von äußeren Umständen, die mittels der Hormone kurzfristig unser Befinden angenehm beeinflussen.

3. Dauerhafter, jedoch nicht ganz so spektakulär in ihren Ausschlägen 😉 ist die Zufriedenheit.  Sie ist eine andere Kategorie. Zufriedenheit ist nicht davon abhängig, ob wir viel oder wenig von was auch immer zur Verfügung haben.

Zufriedenheit ist eine
Folge von Erkenntnis.

Das unentwegte Streben nach (noch mehr) Reichtum, sowie die erfolglosen Versuche, Begierden zu befried(ig)en, zeigen uns auf den unteren Ebenen unserer Geistigen Reife – Zufriedenheit auf den höheren. Sie ist nicht so leicht durch wegnehmen oder hinzufügen (von was auch immer) zu stören.

4. Gegenüber unseren Begierden das „Opfer“ zu geben, ist nur EINE Möglichkeit, denn neben den Instinkten, die uns mit den anderen Tieren verbinden, sind wir auch in der Lage, bewußt zu sein: Selbst die stärksten Begierden können wir kommen und gehen sehen – ohne ihnen blind folgen zu müssen.

Unser größter Reichtum ist das Bewußtsein. 🌷

Wahrnehmung

Zierlich Denken und süß Erinnern
Ist das Leben im tiefsten Innern.

– Johann Wolfgang von Goethe

Zierlich und süß… 😳

Du scheinst bereits mit Wenigem zufrieden zu sein, Johann Wolfgang, denn Denken und Erinnern spielt sich an unserem Rande ab.

„Im tiefsten Innern“…  findest du Bewußtsein

Erstaunlich, daß du noch nicht darauf gestoßen bist. – Bei deiner Beobachtungsgabe!

Wahrnehmen 
ist vor dem Denken
und vor dem Erinnern.

Wie könntest du etwas erinnern, das du nicht schon vorher wahrgenommen hättest? Was ermöglicht es dir, das eigene Denken und Erinnern wahrzunehmen? Also: 

Wahrnehmung ist bedeutender. . .  als die Erinnerung.

Mal ganz abgesehen davon, daß – im Gegensatz zum Wahrnehmen – das Erinnern immer brüchig bleibt und sukzessive rudimentärer wird.

Wahrnehmung geschieht, bevor Denken
und Erinnern zu funktionieren beginnen.

Und Wahrnehmen geschieht auch dann, wenn sich Denken und Erinnern bereits langsam verabschieden.