Meinung ~ Überzeugung ~ Vorurteil

Meinung

Der Akademikergeist neigt immer dazu, an einmal
aufgenommenen Meinungen festzuhalten und sich
dabei als Hüter der Wahrheit vorzukommen.

– Henri de Saint-Simon

Modelle sind Vorstellungen von – durch unsere Sinne nicht wahrnehmbar – materiell Existentem. Sie sind als Annahmen abstrakt und immer als „vorläufig“ anzusehen.
 
Atommodelle sind jeweilige Vorstellungen von Gestalt und Bewegung kleinster „materieller“ Teilchen, die wir Atome nennen.
 
In unserer Wissenschaft kann man nicht ohne vorläufige Annahmen (Modelle) arbeiten/forschen. In der Physik kennt man derzeit an die zwanzig Atommodelle.
 
Unsere Meinungen sind ebenfalls Vorstellungs-Gebilde, die gesamt-gesellschaftlich verbreitet, psychologisch stützend dienen, indem sie vermeintlich eine gewisse Sicherheit geben. Wegen dieser unbewußt erhofften Sicherheit fällt es nicht leicht, sich die Dinge neu anzusehen und sich folgend von gewohnten Ansichten zu verabschieden.
 
Je geistig reifer ein Mensch, desto weniger Meinungen braucht er, um so weniger starr sind diese, desto schneller trennt er sich von ihnen. Für den reiferen Menschen gilt:

Meinung ist eine bloß provisorische
Annahme ohne Wahrheitscharakter.

Henri de Saint-Simon: „Der Akademikergeist neigt immer dazu, an einmal aufgenommenen Meinungen festzuhalten und sich dabei als Hüter der Wahrheit vorzukommen.“
 
Dem auf den hier verwiesenen Akademiker ist die Reputation bedeutend wichtiger als die Wahrheit. In diesem Fall offenbart er einen kindlichen Grad (2) seiner Geistigen Reife.
 
Meinungen sind starre
Verstandesk
onstrukte.

Auf einer Meinung beharren… ist ein bißchen dumm. Erst recht, wenn man meint, sie auch noch verteidigen zu müssen: Mit unseren Meinungen schneiden wir uns mutwillig und unnötig von der Intelligenz ab.

Die Wahrheit braucht nicht verteidigt zu werden. Sie wird erkannt.

Eine Vermutung haben… kommt der Wahrheit schon viel näher als: „eine Meinung vertreten“.

Mutmaßungen sind keine Anmaßungen; sie müssen nicht verteidigt werden.

Eine „vorläufige Meinung“ kommt einer Annahme nahe, einer Hypothese. Sie steht nicht gegen die Wahrheit, sie ist zeitlich begrenzt. Man weiß: Sie hat ein Verfallsdatum.

Die Meinung ist, so lange sie verteidigt wird, eine Erkenntnis-Blockade. Es ist das Ego, das gerne auf einer „festen Meinung“ besteht und sich damit selbst für wichtiger hält, als die Wahrheit.

Seinen Geist offen halten für das was ist,
schließt das Pflegen von Meinungen aus.

Einwand: „Manche Meinungen sind einfach falsch.“

Das ist so… nicht ganz richtig: Es ist das „Wesen“ von Meinungen, daß sie weder „richtig“, noch „falsch“ sein können. Dasselbe gilt auch für die Thesen:

Es gibt keine richtige und keine falsche These,
sondern nur ihre Aufhebung.. durch den Fakt.

Meinungen sind Glaubenssache und stehen als
solche in Korrelation zum jeweiligen Weltbild.

Weder gibt es richtige, noch gibt es falsche Glaubenssätze.

  • Wir alle haben ein Menschen-Bild,
  • die Meisten auch eine Art Gottes-Bild.
  • Einige haben ihre speziellen Feind-Bilder,
  • wieder andere noch ein bestimmtes Welt-Bild.

Dazu passend… fallen unsere Vorstellungen, festen Meinungen, Standpunkte und Glaubenssätze aus.

Einwand: „Wenn Meinungen nicht objektiven Tatsachen entsprechen, sind sie objektiv gesehen falsch.“

• Meinungen sind per definitionem subjektiver Natur.
• Objektiver Natur sind die unumstößlichen Tatsachen.

Meinungen sind (prinzipiell) temporärer Art, werden aber meist erst durch die Realität der Tatsachen überholt. Es sind subjektiv gestaltete Theorien und als solche Hilfs-Konstrukte… nicht notwendig identisch mit der Realität.

Einwand: „Man kann von „objektiv falschen Meinungen“ sprechen.

Nein, kann man nicht:

Es gibt keine „objektiv falsche Meinung“.
Es gibt keine objektive Meinung.
Es gibt keine falsche Meinung.
Es gibt aber auch keine richtige Meinung.

Die Meinung ist als solche… bloß eine Meinung. Mehr nicht. Nichts von Bedeutung.

• Tatsachen sind objektivierbar.
• Das „Meinen“ ist dagegen mit dem „Glauben“ verwandt.

Man versucht zwar auch, den Glauben zu objektivieren (siehe gemeinsam laut vorgetragenes Glaubensbekenntnis in den Kirchen), doch was der Einzelne tatsächlich glaubt, bleibt allen Anderen auf immer verborgen.

Wenn wir jemandem eine „objektiv falsche Meinung“ attestieren, sagen wir damit eigentlich: „Dein Glaube ist falsch und… meiner ist richtig“Die Illusion lautet:

• Der Andere GLAUBT (etwas Falsches)
• während ich (das Richtige) WEISS.

Das können wir so machen, hilft aber nicht weiter, solange wir nicht sehen können, daß es sich AUCH bei UNS bloß um ein Glaubenskonstrukt handelt.

Beispiel. Jemand sagt: „Es gibt kein Corona-Virus“. Ich kann ihn nicht vom Gegenteil überzeugen, weil ich selber kein Virologe bin und mir folglich nicht die fachlichen Erkenntnis-Module zur Verfügung stehen.

Im Gegensatz zu diesem Jemand halte ich die Existenz des Virus (mit seinen Auswirkungen) aufgrund einiger Indizien für wahrscheinlicher als seine Nicht-Existenz. Bin mir aber bewußt, daß wir beide (!) etwas nur glauben und nicht wissen.

Wenn wir nur genau genug hinsehen…, können
wir erkennen, daß wir mehr glauben als wissen.

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Überzeugung

Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen.

~ Friedrich Nietzsche

Der Mann hat Recht damit, denn eine Überzeugung ist der Lüge näher, als der Wahrheit. Lügen werden als solche erkannt, aber…

Überzeugungen sind nicht
erkannte… Unwahrheiten.

Die Wahrheit kann nicht einzementiert werden. Sie ist kein starres Objekt. Wer sagt, er habe „eine (feste!) Überzeugung„, sagt damit unausgesprochen, daß er nicht besonders an der Wahrheit interessiert ist, sondern vielmehr an  s e i n e r  Idee von etwas.

  • Lüge = ist eine in voller Absicht kommunizierte Unwahrheit.
  • Überzeugung = ist das starre Festhalten an einer  I d e e  von etwas.

Mit einer Lüge betrügt man andere,
mit einer Überzeugungsich selbst.

Für die Wahrheit müssen wir offen sein, in jedem einzelnen Moment. Sie ist lebendig – nicht statisch.

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Jeder Dumme ist fest überzeugt; und jeder Überzeugte ist dumm: Je irriger sein Urteil, desto größer sein Starrsinn.

~ Baltasar Gracián y Morales

An einer Überzeugung festzuhalten ist selbst gewählte Dummheit. „Den Dummen“ gibt es aber nicht. Dummheit ist ein temporäres Phänomen, das wir alle… recht gut kennen.

Eine Überzeugung zu haben,
ist Leugnung der Intelligenz.

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Vorurteil

Wer nicht gerne denkt, sollte wenigstens von Zeit zu Zeit seine Vorurteile neu gruppieren.

~ Luther Burbank

Der Luther provoziert bloß ein bißchen. Denn er weiß natürlich, daß das gar nicht geht, „Vorurteile neu gruppieren“. Wer Vorurteile neu gruppieren kann, kann auch gleich selber denken und braucht jene gar nicht (mehr).

Vorurteile sind dazu da,
Intelligenz zu blockieren.

Wir bilden sie uns aus Sicherheitsgründen; weil wir uns ohne sie halt ziemlich unsicher fühlen.

Die wenigen Freigeister, wie Luther Burbank, Thomas Alva Edison und andere kommen ganz gut ohne Vorurteile aus. Sie sind nicht daran interessiert, sich selbst den Geist zu verstellen. Sie erlauben sich, wie Immanuel Kant es kategorisch fordert, selber zu denken und nicht andere für sich denken zu lassen.

Damit steht diesen wenigen Menschen eine ganze Welt zur Verfügung, die wir anderen nur dem Wort nach kennen: Kreativität.

Sie unterscheiden sich (aber nicht wesentlich!) von uns. Sie zeigen bloß etwas mehr Mut: Sie können auf Vorurteile verzichten und geben sich die Erlaubnis, allein in den Dschungel der Kreativität vorzudringen und (ohne Berufung auf andere!) ihren Ideen und Eingebungen zu folgen.

Einwand: „Berühmte Persönlichkeiten seiner Zeit, wie z.B. Edison, besuchten ihn.“

Das hängt wohl mit der Verwandtheit zusammen. Freigeister sind in der Menge ziemlich einsam. Doch mit ihresgleichen können sie mal für kurze Zeit auf gleicher Schwingungsebene kommunizieren.

Einwand: „Ob Dummköpfe den Spott verstehen?“

Was ich nicht verstehe, verstehe ich nicht und es gibt sehr viel, das ich nicht verstehe. Ironie, Sarkasmus, Zynismus, Spott und Häme… gehören gerne mal dazu.

Außerdem gibt es keinen Dummkopf, der
immer bloß ein Dummkopf ist. So wie es
auch keinen Weisen gibt, der nur weise ist.

In Sachen Dummheit & Weisheit sind wir eher Mischwesen: Manchmal geben wir der einen Seite in uns den Vorzug, mal der anderen.

Also, machen wir uns ans Werk und…
gruppieren wir unsere Vorurteile neu.

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PS: Nein, wir brauchen nicht komplett auf das Vorurteil zu verzichten.
       Wir dürfen uns aber erlauben, es gelegentlich gegen ein aktuelleres auszutauschen. 😎